Sekundärgefühle oder 'Du nervst!' Teil 2
Gefühlskategorien:
"Kochrezept" für Sekundärgefühle
Man nehme eine beliebige, irrelevante Tatsache, wie z. B. die falsch zugedrehte Zahnpastatube. Diese Tatsache koche man nun in sich hoch und schmiere sie dem Verursacher Stunden später möglichst unvermittelt aufs Brot. Fertig ;-)
Sekundärgefühle pflegen
Sekundärgefühle werden durch innere Bilder und durch innere Monologe genährt, gleichsam auf mittlerer Flamme am Leben gehalten. Dadurch werden aus klaren Primärgefühlen unklare, nervige, lähmende... Sekundärgefühle.
Wer andere Menschen nun hiermit konfrontiert, der kann sich sicher sein, dass es (negative) Wirkung zeigen wird, wobei die konkrete Ausprägung der negativen Wirkung eine große Bandbreite umfassen kann.
Beispiele für Sekundärgefühle
Oben ist ja bereits das Beispiel mit der falsch zugedrehten Zahnpastatube genannt. Ein weiteres Beispiel: Ein lieber Kollege lauert nur darauf, bis andere Fehler machen. Auf diese Fehler macht er nun nicht direkt aufmerksam, sondern er passt den 'richtigen' Zeitpunkt ab.
Hier gehört das Sekundärgefühl sozusagen zur eingenommenen Rolle fest dazu. Weitere, ähnlich gelagerte Rollen:
- der Besserwisser
- die Petze
- der Schwächling
- Chefs Liebling
- der eingebildete Kranke
- der Arschkriecher
- warte nur, bis Papa kommt
- 'alle sind gegen mich'
- ohne mich läuft hier gar nichts
- ich bin der Tollste...
Noch zwei Beispiele gefällig?
Kennst du das? (Als Mann sicherlich ;-)) Du bist auf 'deiner' linken Überholspur unterwegs, da wagt es doch tatsächlich ein LKW-Fahrer oder ein Busfahrer, sich direkt vor dich auf die Überholspur zu setzen. Für die nächsten Stunden ist nun vollkommen klar, was du tun wirst: dich ärgern, wütend und aggressiv sein! ;-)
Wieso verrauchen diese Gefühle nicht ganz schnell wieder? Ganz einfach: weil es von dir genährte Sekundärgefühle sind.
Manche Menschen machen aus ihren Sekundärgefühlen auch gleich einen Beruf, z. B. der eine oder andere Komiker. Wenn man darin wirklich gut ist winkt viel Geld.
Noch mal zum Kochrezept
Sekundärgefühle werden also künstlich konserviert oder gar künstlich produziert. Jedes zeitverschobene "dem anderen Vorhalten" fußt auf Sekundärgefühlen und bewirkt dadurch eine unappetitliche Mischung.
Wenn der Ärger vom Morgen abends aufs Tapetchen kommt hagelt es Mischgefühle pur.
Sekundärgefühle anstatt Handlungen
Sobald angemessene, erforderliche Handlungen unterlassen werden bahnen sich Sekundärgefühle ihren Weg. Das gilt z. B. auch bei einem Schulkind, das verprügelt wird und das, anstatt sich zu wehren, in das Muster der Hilflosigkeit geht.
Vorsicht: Dieses Beispiel ist nicht dazu gedacht, moralisch bewertet zu werden. Es dient einzig und alleine dazu, bestimmte Zusammenhänge klarer zu sehen.
Wenn nun die Hilflosigkeit aus dem vorgenannten Beispiel längere Zeit andauert ist es kein Primärgefühl mehr, sondern ein Sekundärgefühl. Das kann nun seinerseits dazu beitragen, die Peiniger für weitere Peinigungen anzustacheln. Ein fataler Kreislauf...
Bei Mobbing gilt das vom Prinzip her übrigens genau so.
Sekundärgefühle sind auch im Spiel, wenn Gefühle breitgetreten werden, bei überzogenen Schilderungen oder bei extrem detailorientierten Erzählungen.
Lösung: Wie kommt man aus Sekundärgefühlen heraus?
Der Zauber endet, sobald man ihn beim Namen nennt. Hier gibt es eine Analogie zum "Rumpelstilzchen". In dem Moment, wo man das wahre zugrundeliegende Gefühl benennt kommt man in dieses Primärgefühl und "der negative Zauber endet".
Schauen wir uns das "Autobahn-Überholspur-Beispiel" von oben noch einmal an. Was ist das zugrundeliegende Primärgefühl? Ist es Wut? Ärger? Aggression? Nein, alles falsch. Es ist Ohnmacht. Man kann in dieser Situation, wo man hinter einem LKW oder Bus auf der Überholspur herunterbremsen muss, sozusagen nichts tun.
"Ich fühle mich ohnmächtig!" In dem Moment, wo du dir diesen Satz sagst, wirst du spüren, wie die Wut, der Ärger, die Agression verrauchen und wie du langsam wieder landen kannst.
Umgang mit Sekundärgefühlen in der Praxis
Hier einige Tipps & Hinweise aus der Praxis:
- SG sollten nie bestätigt werden, sonst droht Eskalation. Beispiel: wenn man auf den ständig nervenden "Ich hätte da mal noch eine Frage"-Fragenden über ein gewisses Maß hinaus eingeht, wird man den Rest der Gruppe verlieren und es droht Eskalation, weil die anderen zurecht spüren, dass es "um das" gar nicht geht.
- Analog hierzu verschlimmert das "Für-Wahr-Nehmen" von SG das Leid des Klienten. Negative Muster würden hierdurch fortgeführt und womöglich sogar bestärkt werden.
- Wer als Coach, Trainer, Lehrer oder Führungskraft SG von anderen "unbehandelt" im Raum stehen lässt, der schafft durch Unterlassung einen Nährboden für das Um-Sich-Greifen und das Ausufern von SGen.
- Da, im Gegensatz zu Primärgefühlen, SG eben NICHT potenziell heilsam sind, unterbindet man diese am besten sofort. Wie bereits mehrfach dargestellt sind SG ledigleich ein schlechter Ersatz für eigentlich anstehende Handlungen.
- Es gilt, den Klienten möglichst schnell und wirkungsvoll ins Primärgefühl zu holen. Dies kann sehr anstrengend sein, wird dann aber ein Ende gefunden haben. Beim kontinuierlich Nervenden wird es dagegen kein Ende geben.
Sekundärgefühle unterbrechen und ins Primärgefühl holen
Im Coaching kann es angemessen und erforderlich sein, den Klienten hinsichtlich der Zugangshinweise für Primärgefühle und Sekundärgefühle zu unterrichten und ihn darin zu unterstützen, sein Gefühlsradar zu kalibrieren.
In dem Maß, wie die entsprechende Selbstreflektion und Selbstwahrnehmung des Klienten wachsen, wird er sich selbst aus Sekundärgefühlen wieder in die Primärgefühle zurückholen können. Dies ist ein Lernprozess, der seine Zeit benötigt und der oft sehr schmerzhaft ist.
Auch das Studium der Zugangshinweise, wie SG an anderen, außenstehenden Personen wahrgenommen werden können, kann und wird die Selbstwahrnehmung über den Abgleich mit den angedeuteten Fremdwahrnehmungen zügig vorantreiben.
Ein Beispiel für einen angemessenen Unterbrecher
Nervt dich im beruflichen oder privaten Gespräch dein Gegenüber kontinuierlich dadurch, dass er von einem Sekundärgefühl ins nächste hüpft oder in einem Sekundärgefühl verweilt kann deine folgende, ausreichend entschieden hervorgebrachte Aussage zu einer wirkungsvollen Unterbrechung führen.
Sorry, ich kann mir das nicht mehr länger anhören, das nervt mich. Höre bitte sofort damit auf!
Weiterführende Links zu "Sekundärgefühle oder 'Du nervst!' Teil 2"
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