Sekundärgefühle oder 'Du nervst!' Teil 3
Gefühlskategorien:
Zugangshinweise auf Sekundärgefühle oder: "Woran erkennt man Sekundärgefühle?"
Sekundärgefühle von innen erkennen
Von innen, und damit am eigenen Körper oder, metaphorisch gesprochen, mittels des sogenannten Gefühlsradars kann man Sekundärgefühle folgendermaßen erkennen:
- es fehlen Klarheit, Reinheit, Ergriffenheit, d. h. man erlebt sich überhaupt nicht als berührt
- es ist eine unklare Gefühlsmischung, wobei das Primärgefühl immer wieder einmal durchschimmert
- die Wirkung kann variieren von lähmend bis aufwühlend und es liegt eine unangenehme Spannung in der Luft
- man erlebt die Situation als anstrengend, eventuell hilflos, ärgerlich oder aggressiv machend
- Genervtheit oder eine starke Gereiztheit können spürbar sein
- man fühlt sich aufgefordert, etwas zu tun, weiß aber gar nicht, was
- dasselbe Sekundärgefühl taucht immer wieder auf, insbesondere in unpassenden Situationen
- eventuell erlebt man eine eigentümliche Amüsiertheit und man kann sein Gegenüber nicht für voll nehmen
- die Umschreibung "Affentheater" passt
Wieso fühlt man sich so?
Auf einer normalerweise nur unbewussten Ebene reagiert unser Körper auf Unechtheit. Hierzu gleicht er sprachliche, stimmliche und körpersprachliche Wahrnehmungen ab und überprüft sie auf Stimmigkeit bzw. Inkongruenzen.
Wir haben dann (unbewusst) das Gefühl: "Hier stimmt etwas nicht!" Diese Wahrnehmung kann man so trainieren, sodass man sich hierüber sehr bewusst sein kann.
Auf der bewussten Ebene klar unterscheiden zu können ob jemand echt oder unecht ist zählt zu den besonders wertvollen, persönlichen Kompetenzen.
Sekundärgefühle von außen erkennen
Aus einer Beobachterposition heraus kann man Sekundärgefühle wie folgt erkennen:
- fehlende Situationsangemessenheit: das gezeigte Gefühl passt nicht zum Anlass
- Erzählungen wirken übertrieben, gleichförmig, überlang
- es wird viel zu detailliert erzählt oder es wirkt aufgesetzt
- dasselbe (Sekundär-) Gefühl ist über einen längeren Zeitraum präsent
- gelegentliche oder andauernde Inkongruenzen: Die Person lacht z. B., während sie etwas Trauriges erzählt oder das Gesicht wirkt maskenartig, man hat das Gefühl, den Menschen dahinter nicht mehr zu erkennen
- Handlungen oder Verbalisierungen erscheinen nicht altersgemäß oder nicht zur Persönlichkeit passend
- man kann sich einer gewissen Theatralik nicht erwehren und denkt bei sich: "Was für ein Theater!"
Oft lässt sich auch ein ständiger Wechsel zwischen innerer Einkehr und einer nach außen hin orientierten Beobachtung der Wirkung feststellen. Hierbei sind die Augen über längere Phasen geschlossen (innere Einkehr).
Dadurch reißt der Gegenwartskontakt ab und der Klient wendet sich seinen inneren Bildern und seinen inneren Monologen zu, um den nächsten "Akt der Inszenierung" vorzubereiten.
Im Coaching ist die angemessene und erforderliche Vorgehensweise hier sehr klar: der Klient möge seine Augen öffnen. Dieses "Augen auf" gilt im doppelten Wortsinn. Zum einen im physischen Sinn durch das faktische Öffnen der Augen. Zum anderen im psychisch-kognitiven Sinn.
Damit ist gemeint, dass jetzt ein passender Zeitpunkt sein kann, den Klienten über seine bisher für ihn unbewussten Sekundärgefühls-Generierungs-Prozesse ins Bild zu setzen und ihn gleichzeitig dazu anzuleiten, seine entsprechenden Selbstwahrnehmungen zu trainieren.
Dieser Prozess wird oft als sehr schmerzhaft, zeitverzögert jedoch als sehr heilsam und bereichernd erlebt.
Sekundärgefühle durch die Reaktion von Außenstehenden oder von Gruppenteilnehmern erkennen
Wenn der Einzelne als Reaktion auf Sekundärgefühle ein "komisches Gefühl" hat gilt das erst recht für Gruppen. Oft erlebt man, dass entsprechende Reaktionen hier sogar verhältnismäßig stärker und klarer hervortreten. Die ganze Gruppe wirkt dann gewissermaßen als Resonanzkörper.
Hierdurch kann man die Eigenwahrnehmung mit der Gruppenwahrnehmung abgleichen und sein "Gefühlsradar" kalibrieren (eichen) bzw. überhaupt erst trainieren.
Spürt also der Einzelne, dass ein bestimmter Gruppenteilnehmer hinter seinem verbalen Beitrag eigentlich auf zusätzliche Streicheleinheiten aus ist, spürt das die gesamte Gruppe umso mehr und sie wird es auch umso stärker und klarer zeigen.
Weitere typische Gruppenphänomene, die auf Sekundärgefühle schließen lassen:
- einzelne oder mehrere Teilnehmer starten mit Seitengesprächen, werden unruhig, beginnen unpassender Weise, Unterlagen zu sortieren
- Irritation macht sich breit, Unruhe, Unaufmerksamkeit, ein eigentümlicher Verwirrtheitszustand
- es wird nach unterschiedlichsten Ablenkungsmöglichkeiten gesucht...
Beispiel: ein konkreter Teilnehmer stellt zum wiederholten Mal an einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt eine (womöglich auch noch unpassende) Frage, bei der jeder spürt, dass es in keinem Fall um das oberflächlich Gefragte geht.
Ist man sich als Gruppenleiter unsicher kann man direkt in die Gruppe hineinfragen: "Was ist denn gerade los?"
Umgang mit Sekundärgefühlen im therapeutischen Kontext, im Coaching oder im Persönlichkeitstraining
Grundsätzlich gilt: Therapie oder Coaching machen nur im Primärgefühl Sinn.
Warum das so ist, ist leicht erklärt. Sekundärgefühle stellen ja, wie bereits bekannt, eine Art von Schutzwall oder von Ablenkung dar. Akzeptiere ich die Sekundärgefühle stillschweigend, so akzeptiere ich auch den Schutzwall und die Ablenkungsstrategien und lasse mich quasi hierauf ein. Dadurch werde ich selbst zum "Teil des Theaters" und bräuchte meinerseits jemanden, der mich nun aus den Sekundärgefühlen herauszieht...
Nur ein Klient im Primärgefühl stellt einen Nährboden für eine fruchtbare Therapie oder ein fruchtbares Coaching dar. Schließlich ist der Klient eben nur dann authentisch und somit "da".
Eine für den Therapeuten und den Coach sehr wichtige professionelle Kompetenz besteht somit ganz klar darin, SOFORT Anzeichen von aufziehenden Sekundärgefühlen im Klienten wahrzunehmen und diesen SOFORT wirkungsvoll entgegenzutreten.
Billige (und auch teure) "Fernseh-Psycho-Settings" strapazieren den Stereotypen des "Therapeuten im Sekundärgefühl" bis zum geht-nicht-mehr. Beim Zuschauer hat das die (gewünschte) Wirkung, dass man sich vom "Psycho-Klempner" genervt fühlt.
Genau diesen Stereotypen gilt es im therapeutischen Setting im Regelfall um alles in der Welt zu vermeiden.
Je früher und energischer die "Ersatzgefühl-Spielchen" unterbrochen werden, desto besser für alle Beteiligten. Diese Aussage gilt prinzipiell und in der sinngemäßen Übertragung auch für alle Gruppen von Menschen, die arbeitsfähig bleiben oder es wieder werden sollen.
Jedes Sekundärgefühls-Affentheater kostet Nerven, Zeit und Geld. Potenziell steht auch die ausufernde Wirkung in die Richtung von Burn-Out oder von Mobbing auf dem Spiel.
Wie kann man sein Gefühlsradar trainieren?
Hierzu eignet sich am besten der Rahmen einer Ausbildung, wie er beispielsweise im Selbstbewusstseinstraining XXL gegeben ist.
Im normalen Alltag fehlt einem Trainierenden das Gegenüber, das einem professionelles und ausreichend differenziertes Feedback gibt, was es jedoch unbedingt braucht, um sein Gefühlsradar verlässlich kalibrieren bzw. trainieren zu können.
Zusammenfassung
Sekundärgefühle im Überblick:
- SG wirken nervend, manipulativ, irritierend
- sie machen aggressiv, hilflos oder ein schlechtes Gewissen
- Sekundärgefühle kosten viel Energie, insbesondere in Beziehungen oder auf der Arbeit
Kompetent im Umgang mit Sekundärgefühlen zu sein ist wichtig ...
- für die persönliche Weiterentwicklung
- für private und berufliche Beziehungen
- (eine tiefe Liebe ist nur auf der Basis von Primärgefühlen möglich)
- um andere und sich selbst besser verstehen und damit umgehen zu können
- um "hinter die Fassade spüren" zu können
Die wichtigste Regel
Die wichtigste Regel im Umgang mit Sekundärgefühlen lautet: "Sofort erkennen und sofort abstellen!".
Weiterführende Links zu "Sekundärgefühle oder 'Du nervst!' Teil 3"
Unsere Renner im Überblick:
- Selbstbewusstseinstraining an 1 Wochenende
- Selbstbewusstseinstraining an 1 Wochenende (inkl. Familienaufstellung)
- Selbstbewusstseinstraining XL an 2 Wochenenden (inkl. Familienaufstellung)
- Familienaufstellung an 1 Wochenende
- Selbstbewusstseinstraining XXL für maximales Selbstbewusstsein (inkl. NLP-Practitioner-Ausbildung sowie Ausbildung zum Systemcoach)
Video bitte anklicken zum Abspielen!